Wenn die Sonne uns Sammler bevorzugt hat, dann war das uneingeschränkt an dem Maiwochenende, an dem uns das Ehepaar Steenken in den Norden eingeladen hat. Auch wenn die Anfahrt über fast leere, Kilometer fressende Autobahnen - vorbei an Wiesen, Schafen und Windrädern - sehr monoton und einschläfernd verlief, so überrasche doch die Hafenstadt Leer (Ostfriesland) mit ihrer Urtümlichkeit Da waren die engen Gassen der Altstadt - frei von Autos, aber oft störend die vielen Radfahrer mit automatischer Vorfahrt - mit den akkurat herausgeputzten Wohn- und Geschäftshäusem, den vielen Kirchen und dem gewaltigen Backsteinbau des Rathauses. Beeindruckend der Museumshafen mit der Zugbrücke, die Hafenpromenade und die umgebauten ehemaligen Speicherhäuser. Dazu die liebevoll angelegten Parks und Vorgärten in farbenfroher Harmonie zu den Klinkern, dem Backstein und malerischen Giebeln, Haustüren, Fenstern und Fassaden. Man fühlte sich in das Legoland versetzt. Wappen und Sonnenuhr von 1714 an der „Waage" im Museumshafen Wer einen Abstecher zum Nordseehafen Emden gemacht hatte, dessen Auge wurde hier ebenso verwöhnt. Die eigene Hektik blieb auf der Strecke. Dass die Sammler, die schon freitags angereist waren, im Hotel einen interessanten Plauderabend verlebten, ist schon Tradition. Am Sonntagmorgen hatten sich über 60 Besucher in Papenburg (Emsland) bei der Meyer-Werft eingefunden, um in einer mit einem Film unterstützten Einführung den geschichtlichen Werdegang von einem kleinen Schiffsbauer zu einer in der ganzen Welt beachteten Werft zu erfahren. Wie gewaltig ein fast 300 m langes Passagierschiff mit 14 Decks in Wirklichkeit ist, kann man nur ermessen, wenn man so dicht davor gestanden hat. Die spezielle Bauweise in Teilabschnitten ermöglicht es uns, tatsächlich ein vom Kiel bis zum Sonnendeck „aufgeschnittenes" Schiff zu sehen. Dass so viel Eisen und Stahl auf dem Wasser nicht untergeht, ist nur mit den Gesetzen der Physik erklärbar - ansonsten bekommt man arge Zweifel. Im Konvoi ging es zurück nach Leer. Der Museumsverein der Telekom hatte uns zu einer Besichtigung eingeladen. Die Bedeutung der nahe gelegenen Hafenstadt Emden als dem größten Knotenamt für Seetelegraphie und Seetelefonie mit Kabelverbindungen nach England, den USA und Südamerika sowie bis um Afrika herum lässt erkennen, welche Anstrengungen schon zur Mitte der vorigen Jahrhunderts (also um 1850) gemacht wurden, um Informationen mit aller Welt - und vor allem auch mit den damaligen deutschen Kolonien - auszutauschen. Handel war schon immer mit Nachrichtenübermittlung verbunden. In dem Museum in Leer ist diese für die Küstenregion spezifische Nachrichtentechnik ein dargestellter Teilbereich, der ergänzt wird durch die Utensilien und Apparaturen aus rund 100 Jahren Femmeldetechnik. Hilfsmittel aus der Störungsannahme und -beseitigung sind ebenso ausgestellt wie beispielsweise alle Arten von Zusatzweckem für Endstellen oder Gesangbücher und Fahnen der verschiedenen Vereine für Post- und Telegraphenbeamte. Eine sehenswerte Zusammenstellung, die in Originalen aus dem Leben und Umfeld von einst zu berichten weiß. Aber erst die Erklärungen - teilweise aus Überlieferung, teilweise aus eigener Erfahrung - bringen die Würze. Eben ein Museum zum Anfassen. Wer danach die Stadt Leer näher kennen lernen wollte, schloss sich einer kurzen Führung an, die vor dem Abendessen eingeplant war. Dabei erfuhr man etwas über die Schifffahrt, die Handelsfamilien, über Kaffee und Tee, über die Bauherren der feudalen Häuser und über die Bedeutung des Stauwehres, damit das Hafenbecken nicht austrocknet. Wassersport wird hier „großgeschrieben". (Wenn ich Wassersport rechtschreibreformiert groß schreibe, sieht das so aus: WASSERSPORT). Der Riesenauflauf war am Sonntagmorgen - wieder bei der Telekom. Teils in Konferenzräumen, teils im Außenbereich wurden die Waren für die Telefonbörse ausgelegt. Anerkennung an alle Besucher, dass der Aufbau ungestört verlief und fast keiner versuchte, sich vor der angegebenen Öffnung auf die Börse zu drängen. So konnten wir uns selbst beweisen, dass entsprechende Disziplin allen zugute kommt. Das Angebot von Apparaturen, Schnüren, Ersatzteilen (neu und gebraucht) und Literatur war sehr umfangreich und nicht alltäglich. Und es gab auch diesmal wieder Anbieter, die nach dem Treffen mehr nach Hause schleppten, als sie vorher mitgebracht hatten. Unsere Telefonbörse ist also schon fast zum Selbstläufer geworden -. schade nur, dass der „Spuk" nach etwa einer Stunde an Spannung verliert und manche Anbieter so früh wieder eingepackt hatten. Dadurch hatten fremde Besucher - durch Zeitungsinformation auf den Markt gelockt - das Nachsehen und einen sehr „aufgeräumten" Eindruck. Für die Zukunft erwarten wir (unter Androhung mittelalterlicher Sanktionen), dass alle Anbieter nach der Börseneröffnung für zwei Stunden den Stand und die Ware bereithalten und erst danach mit dem Einpacken beginnen. Herrn Gerhard Steenken für die Organisation, das gute Wetter und den reibungslosen Ablauf dieses Sammlertreffens ein herzliches Dankeschön. Günther Mergelsberg |