Freitag später Nachmittag – Brauhaus in Rixdorf – eine uns noch bekannte Anschrift vom Jahr 2000. Doch einiges ist anders als damals. Das Brauhaus ist gegen 18 Uhr noch menschenleer. Die blankgescheuerten Tische und Bänke wirken einladend, und während ich an der Theke vorbei in einen hinteren Bereich gehe, erblicke ich vier Personen, die mir sagen wollen: Hier bist Du richtig! Das Bier schmeckt ebenso gut wie damals, die deftigen Speisen sind genau das Richtige, worauf ich mich eingestellt habe. Und unser Raum füllt sich; so langsam trudeln sie ein. Ein Wiedersehen wie bei all unseren Begegnungen, denn die meisten kennen sich ja schon über Jahre. Es ist gemütlich und unterhaltsam. Dann ein neuer Gast mit unbekanntem Gesicht. Die Überraschung ist uns anzusehen, als er sich als Joachim Schulz aus Südafrika vorstellt. Er will uns doch einmal persönlich kennenlernen und hat deswegen den Besuch seiner Tochter in Nordirland unterbrochen und ist nach Berlin gekommen. Das ist natürlich eine große Überraschung. Danach noch die Gruppe aus dem Breisgau und die Kölner. Auf einmal sind es doch über dreißig, die in lockerer Runde zusammensitzen. Wie immer vergeht so ein gemütliches Beisammensein im Fluge. Am anderen Morgen müssen wir schon früh heraus, denn die Fahrt mit U- und S-Bahn zum Anlegesteg am Bundeskanzlerinamt für die geplante Spree-Schifffahrt nimmt viel Zeit in Anspruch. Zweimal umsteigen, dann fällt noch eine S-Bahn aus; und der 10-minütige Fußweg vom Hauptbahnhof vorbei an Angelas Dienstsitz zieht sich auf mehr als das Doppelte hin. Dass man auf mich und meine drei Begleiter wartet, ist wohl nur meiner Position im Verein zu verdanken, denn der gemischte Chor aus Baden-Württemberg ist viel größer als unsere Truppe und schaut schon auf die Uhr. Doch dann erleben wir ein Stück Berlin wie in Postkarten-Aufmachung. Klare Luft, ganz toll strahlende Sonne, einpaar weitere Touri-Schiffe auf der im Sonnenlicht glänzenden Spree – und vorbei geht’s an Kanzleramt, Reichstag, Berliner Dom mit neuer Goldspitze, den Resten des gesprengten Palastes der Republik, den Terrassen und Cafés am Schiffbauerdamm, der Museumsinsel bis vor eine Schleuse. Wende – dann die gleiche Strecke zurück, immer dazu die guten Erläuterungen, und über die Anlegestelle hinaus in westliche Richtung. Jetzt mit Haus der Kulturen (früher: Philharmonie), Schloss Bellevue, die Villen am Ufer und den Hanglagen von Alt-Moabit bis etwa Tiergarten. Zweite Wende – Anlegestelle – ein wundervoller Vormittag. Am Samstagnachmittag sind wir am Olympiastadion verabredet. Da gibt es im U-Bahnhof-Gebäude, dem ehemaligen Stellwerk am Olympiastadion, ein in Europa einzigartiges Museum. Ein Teil der Stellwerkseinrichtung ist noch voll betriebsfähig (außer, dass die Funktion nach draußen unterbrochen wurde), dazu die Vielzahl an Exponaten wie Schienen- und Weichenstücke, Signaleinrichtungen, Uhrenzentralen, Streckenabschnittstelefone, Schilder, Gleisfeldbeleuchtung, Waggonteile, Fahrschalter, Abfertigungsdiensträume, Dienstkleidungen von 1902 bis heute. Der Blick aus dem Stellwerk zeigt die vielen Gleise, die zum Abstellen der U-Bahnen bei den Spielen 1936 und auch später benötigt wurden, um so viele Besucher rechtzeitig zum und anschließend wieder weg von Olympiagelände zu befördern. Es ist beeindruckend, mit welchem Aufwand ein so wichtiges Verkehrsmittel gebaut und betrieben wird, das neben den Bahnbedingungen, die man über Tage hat, auch noch die Tunnelsituation mit den erschwerten Fahrgegebenheiten zu berücksichtigen hat. Wir sind überwältigt und bemerken gar nicht, ob zwei oder schon drei Stunden vergangen sind. Jetzt aber schnell quer durch die Stadt. Umziehen, wichtige Unterlagen einpacken, ab zum Gelände der Bundesgartenschau. Im Restaurant des dortigen Tennisclubs wartet das Abendessen. Was für eine feudale Herrichtung: große runde Tische, jeweils für 10 Personen eingedeckt, vornehme Raumgestaltung, dezente Beleuchtung, und alle sitzen da, als wären wir beim Wiener Opernball. Dabei hat Hans-Werner Link nur standesgemäß ein Buffet bestellt, das allerdings genau so gut zubereitet war wie der äußere Rahmen. Wir haben uns sehr wohlgefühlt. Hier sei die Bemerkung erlaubt, dass die Enge von vor acht Jahren bei der Versammlung im Brauhaus Rixdorf nur noch dunkle Erinnerung ist. Wie üblich findet dann auch die Mitgliederversammlung statt, die im Protokoll niedergelegt ist. Der Rest des Abends verläuft dann so, wie wir es gewohnt sind; viele Fachgespräche, wo es nötig ist, aufgelockerte Atmosphäre, wenn Damen und Töchter am Tisch sitzen, ab und zu ein Schnaps, wenn der harte Kern sich zuprostet ... bis zum „Rauswurf“. Am Sonntagmorgen dann das Übliche: Einige putzmunter, andere etwas verkatert, stehen mit ihren Fahrzeugen vor der Tennishalle und laden ihre Sachen aus; Vermittlungen, Apparate, Ersatzteile, Literatur, Schilder und mehr. Wenn nur die unerwünschten Gaffer bzw. Abräumer nicht wären, die beim Aufbau der Börse nichts zu suchen haben und nur stören. Es sind immer die Gleichen, die da meinen, sie seien etwas Besonderes. Ob sie nun angeben, einem Aussteller beim Hereintragen geholfen zu haben oder selbst ein Buch mitbringen, das sie zum Verkauf anzubieten vorgeben, nur um schon rein zu können – sie sind unerwünscht. Das wird dazu führen, dass demnächst ein Aussteller nur noch alleine Zutritt hat, damit er ungestört im Vorfeld aufbauen kann. Wir sind es den anständigen Mitgliedern schuldig, die draußen abwarten, bis der Zutritt zur Börse freigegeben wird. Dass ein Sammlertreffen so abwechslungsreich ist, haben wir schon mehrfach erlebt, doch hier hat sogar der Wettergott mitgespielt. Hans-Werner und Erika sei Dank für die Vorbereitung und Ausrichtung. Günther Mergelsberg |